Schaffhauser Nachrichten | 28.8.2018

Die grossen Züge auf der Spur llm faszinieren Moritz und seine Mutter Rahel Wanner am Besuchstag des Modelleisenbahnklubs Schaffhausen. Bild: Selwyn Hoffmann

Stetiger Strom an Modellbahn-Interessierten

Einmal selbst lenken können: Die Minieisenbahnwelt fasziniert weiterhin. Die Modelleisenbahntage Schaffhausen lockten viele Besucher an.

von Indrani Das Schmid

Nur mit einem roten Minihöschen bekleidet sitzt sie da und streckt ihr Näschen in die Sonne. Die Dame vom Balkon des Hotels Garni ­Europe, das hoch über dem Eisenbahntunnel thront. Doch Vater und Sohn haben keine Augen für sie. «Papa, jetzt!» Der Junge reisst seinen Fotoapparat hoch und drückt auf den Auslöser, als Lichter aus dem Tunnel scheinen. Eine Lok rattert dem Jungen entgegen und zieht rote Güterwaggons voller Gestein hinter sich her. Der Junge stellt sich auf die Zehenspitzen. Es klickt unaufhörlich. Es ist Sonntag, kurz nach elf Uhr. Die Sonne strahlt auf das Gewerbegelände zwischen Schaffhausen und Merishausen. Ältere Männer mit ihren Frauen, Kinder mit ihren Eltern steuern schnurstracks auf zwei Gebäude zu, die bescheiden und niedrig am Ende des Platzes stehen.

Es ist der zweite Tag der Besuchstage beim Modelleisenbahnclub Schaffhausen, und der Präsident des Clubs, Alfred Nyffenegger, wundert sich ein wenig. Mit diesem stetigen Strom an Interessierten hatte er nicht gerechnet. Gut 300 Besucher sind es, die der Einladung des Modelleisenbahnclubs gefolgt sind, darunter viele ältere Männer, was Alfred Nyffeneger nicht verwundert. «Früher spielten wir bei gutem Wetter draussen und bei schlechtem mit unserer Bahn.» Aber auch viele Familien schauen vorbei, was ihm ein zufriedenes Kopfnicken entlockt. Es sei gar nicht mehr so einfach, die Jüngsten für die Minieisenbahn zu begeistern. Zu gross sei die Konkurrenz der digitalen Spielzeuge. Und die Modelleisenbahn sei halt «eine altmodische analoge Dame».

Analoges Spielzeug voller Software
Was er aber sofort berichtigt: Diese analoge Dame habe viel Software in sich. Schliesslich rattern und zuckeln die Züge auf einer Strecke von über einem halben Kilometer nicht manuell. Und die Zugansage am Bahnhof, die genau wie das Original klingt, verrät auch nicht, dass der SBB-Stellwerktechniker Alfred Nyffenegger an ihr bis zu sechs Stunden programmiert. Ob ihm das nicht zu viel Eisenbahn sei, Beruf und Verein? Absolut nicht! Er lacht. Er sei von seiner Mutter, die mit ihm, dem Jüngsten von 13 Kindern, die erste Modelleisenbahnanlage gebaut habe, mit diesem Virus angesteckt worden. Im Hause von Josef Wildhuber aus Buch am Irchel hat dieses Virus offenbar eine Generation übersprungen. Während sein Sohn Sean als jüngstes Mitglied des Clubs seiner Leidenschaft für die Minieisenbahnen nachgeht, bewundert der Elektriker die feinen Arbeiten in der Eisenbahnlandschaft. Wie die kleine beleuchtete Höhle, in der man Stalagniten erkennen kann. Er selbst repariere alles, was Sean ihm bringe, aber diese Leidenschaft stamme eindeutig von seinem eigenen Vater, also dem Opa von Sean.

Dass die Modelleisenbahn ein rein männliches Hobby sei, möchte der Präsident so nicht stehen lassen. «Ich glaube eher, dass die starren Rollenmuster daran schuld waren», sagt er. Seine Tochter habe immer mit der Eisenbahn gespielt und sich ihre Liebe zur Technik bis heute bewahrt. Während vor allem ältere Männer neben der 16,5-mm-Spur – der sogenannten HO-Spur – fachsimpeln, löchert im Nebenzimmer die sechsjährige Anjana aus Lottstetten ihren älteren Bruder mit Fragen wie: «Woher weiss das Signal eigentlich, wann es rot werden muss?» Sie presst ihr Näschen gegen die Plexiglasscheibe. Der Glacier-Express hat es ihr angetan. Mit einer Spurweite von 45 mm ist das auch ein imposanter Zug. «Ich möchte auch so eine Eisenbahn», verkündet sie entschlossen.